Tunnelerweiterung unter laufendem Betrieb

In der zweiten Hälfte des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts wurden allein in Österreich, der Schweiz und Deutschland rund 800 Tunnel gebaut, die zu einem Großteil heute noch in Betrieb sind. In den kommenden Jahrzehnten zeichnet sich für sehr viele von ihnen eine substanzielle Erneuerung ab. Um die Strecken zu elektrifizieren, größere Spurweiten und schnellere Züge aufnehmen zu können, aktuelle Sicherheitsstandards einzuhalten oder um altersbedingt die Tunnelschale auszutauschen, ist es notwendig, das Tunnelprofil zu vergrößern. Herrenknecht hat mit dem Tunnel Enlargement System (TES) eine Lösung entwickelt, um das Tunnelprofil alter Bahntunnel bei laufendem Bahnverkehr zu vergrößern.

Zwei Tunnel Enlargement Systeme (TES) von Herrenknecht werden seit Januar 2024 für die Erneuerung von Tunneln der Deutschen Bahn in der Nähe von Limburg an der Lahn eingesetzt. Die 160 Jahre alten Tunnel (436 und 732 Meter lang) werden damit unter Aufrechterhaltung des Bahnbetriebs erneuert.

TES dient auch als Schutzeinhausung

Das von Herrenknecht entwickelte Tunnel Enlargement System (TES) ermöglicht es, die Tunnelerneuerung bei laufendem Bahnbetrieb durchzuführen. Zunächst werden die bestehenden Gleise demontiert und stattdessen ein Gleis in der Mitte der Bestandsröhre verlegt. Auf diesem Gleis läuft der Bahnverkehr während der gesamten Bauarbeiten sicher weiter. Das Tunnel Enlargement System (TES) bewegt sich während des Vortriebs schrittweise vorwärts. Gleichzeitig dient es als Schutzeinhausung und trennt die Bauarbeiten vom laufenden Bahnverkehr.

Tunnel Enlargement System ETS unter laufendem Bahnbetrieb im Cramberger Tunnel. Bild ganz oben: Kurz vor Start der Vortriebsarbeiten. Fotos: Herrenknecht

Für die beiden zweigleisigen Tunnel der Lahntalbahn wird sich der Querschnitt der Tunnel um gut zwei Meter im Radius vergrößern und erreicht damit Maße, die aktuellen Tunnelneubauten entsprechen. Die rund 46 Meter langen, 270 Tonnen schweren TES mit einem Durchmesser von etwa 12 Meter für den Fachinger und den Cramberger Tunnel laufen auf eigens dafür im Tunnel verlegten Fundamenten und Schienen. Die TES sind mit Geräten für konventionelle Ausbruch- und Sicherungsarbeiten ausgestattet. Je nach Felshärte erfolgen die Ausbrucharbeiten durch Meißeln oder Sprengen. Zunächst werden jeweils die alten Tunnelwände, in der Regel Mauerwerk, ausgebrochen. Daran schließt sich der Ausbruch des Gesteins durch Meißeln oder Sprengen und der Abtransport des Materials an. Das herausgearbeitete Material fällt dabei seitlich neben die Maschine in die Tunnelsohle und wird von separaten Förder- und Ladegeräten abtransportiert. Nach dem Abschlag bringt ein Spritzbetonmanipulator die temporäre Sicherung aus Spritzbeton an.

Tunnelaufweitung mit dem Hydraulikhammer des Tunnel Enlargement Systems

Zusätzlich wird das Gebirge mit Ankern gesichert. Bewehrungsmatten und Stahlgitterbögen bilden zusammen mit dem Spritzbeton und der Ankerung die Erstsicherung. Nach Abschluss der Vortriebsarbeiten mit dem TES erfolgt in einer zweiten Bauphase dann die finale Auskleidung des Tunnels in Ortbetonbauweise.

Das TES besteht aus drei Teilen

Der vordere Maschinenteil des Tunnel Enlargement Systems dient der Vorbruchsicherung. Er verhindert, dass der bestehende Tunnel im Bereich vor den jeweiligen Ausbrucharbeiten einstürzt bzw. dass Gestein auf die Bahngleise fällt. Der Mittelteil ist der Träger für die für den Vortrieb notwendigen Geräte: Teleskopbohrlafetten auf beiden Seiten, Hydraulikhammer auf einem mittigem Auslegearm mit großem Aktionsradius, Spritzbetonsystem auf einer Ringführung. Die Maschine hat großzügige und rückziehbare Arbeitsbühnen, mit denen die Arbeiter die Ortsbrust sowie die Tunnellaibung sicher erreichen können. Im hinteren Maschinenteil befindet sich die Ausrüstung zum Betrieb des TES. Dazu gehört eine Hydraulikstation zur Versorgung der hydraulisch angetriebenen Geräte, ein Kompressor zur Druckluftversorgung, die Elektrik sowie ein Materiallager.

In die Konzeption der an der Lahntalbahn eingesetzten TES sind die Erfahrungen der ARGE aus zurückliegenden Projekten sowie von Herrenknecht aus dem Einsatz eines ersten TES in Spanien eingeflossen. Im März 2024 wurde die Tunnelerneuerung des 558 Meter langen Gaintxurizketa-Tunnels zwischen Astigarraga und Irun in den Ausläufern der baskischen Pyrenäen abgeschlossen. Der sanierte Tunnel wird die Verbindung zwischen den Bahnnetzen Spaniens und Frankreichs im Rahmen des zukünftigen Atlantik-Korridors der EU verbessern.

www.herrenknecht.com

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